Auszug
aus der 100-Jahr Chronik 1955:
Ein Jagdgewehr sorgt für Aufregung
Vielen Zeitgenossen wird das turbulente Vogelschießen des Jahres 1955
noch in lebhafter Erinnerung sein, wobei es darüber nichts
Außergewöhnliches zu berichten gäbe, wäre da nicht die Sache mit dem
Jagdgewehr gewesen: Die Aspiranten dieses Jahres, nämlich die Schützen
Norbert Heuel und Ferdinand Hohleweg sowie der in der dörflichen
Hierarchie damals schon etwas höher rangierende Franz Rademacher aus der
"Drift" bemühten sich mittels der allen gleichermaßen zur Verfügung
stehenden Karabiner, dem in luftiger Höhe schwebenden Wappentier zu
Leibe zu rücken.
Anfangs schien das Schießen den aus den vorhergehenden Jahren schon
bekannten üblichen Verlauf zu nehmen, so dass auch diesmal von einem
sehenswerten Schauspiel zunächst einmal noch nicht die Rede sein konnte:
Die recht robuste Konstruktion des Schützenvogels zeigte deutlich, dass
dieser sich von der Schießfreude der am Boden des Schützenplatzes
befindlichen Bewerber nur zögernd beeindrucken ließ. Hinzu kam noch das
in jenen Jahren häufig auftretende Übel, dass nämlich ein großer Teil
der zur Verfügung stehenden Patronen mangels einer gehobenen Qualität
nicht den ihnen zugedachten Zweck erfüllten, so dass durch deren
häufiges "Versagen" dem Schießen zusätzlich eine gewisse Attraktivität
verlorenzugehen drohte.
Während sich das Schießen in die Länge zog und ein glorreicher Abschluß
des Wettkampfes auf sich warten ließ, hatte der für bubenhafte Späße
schon immer bekannte Ernst Halbe (auch Rikas Öra genannt) flugs ein dem
Schützenbruder und passionierten Jäger Alois Maiworm gehörendes
Jagdgewehr herbeigeschafft und es dem in seinen Augen wohl eher
prädestinierten Anwärter und Schützen Franz Rademacher in die Hand
gedrückt. Dieser arg nach Heimtücke aussehender Überrumpelungsakt
verwandelte die bis dahin noch recht geduldigen Zuschauer geschwind in
eine aufgebrachte Menschenmenge. Protestrufe und Pfiffe an die Adresse
der Akteure Ernst Halbe und Franz Rademacher sowie an den in dieser
Situation recht passiv wirkenden Vereinsvorstand waren die Reaktion auf
die Bevorteilung eines einzelnen Schützen.
Beeindruckt von den zahlreichen Unmutsäußerungen der Umstehenden neigte
Franz Rademacher schließlich dazu, von der Benutzung des Jagdgewehres
abzusehen und sich ebenso wie die anderen Mitbewerber eines normalen
Gewehres zu bedienen. Doch die sich in seiner Nähe befindlichen
Sympathisanten - voran wiederum Ernst Halbe - ließen nicht locker und
drängten ihn angesichts des weiterhin untätigen Vereinsvorstandes zur
weiteren Benutzung dieser ungleich stärkeren Waffe. Damit gelang es ihm,
den recht hartnäckigen Vogel von der Stange zu holen. Königin war seine
Frau Paula. |